Die SPD Lehrte hatte breit eingeladen zu ihrer Diskussionsveranstaltung zum Thema Leiharbeit. Knapp 60 Personen folgten am vergangenen Dienstag diesem Aufruf und konnten sich an einer spannenden, mitunter aufgeregten Debatte beteiligten. Der SPD Ortsverein Lehrte hatte dazu neben Frank Pern (Betriebsratsvorsitzender Miele), Sebastian Wertmüller (Vorsitzender DGB Niedersachsen-Mitte) und dem SPD-Bundestagsabgeordneten Matthias Miersch auch Hasan Kurtulus, den Gründer und Geschäftsführer der Lehrter Zeitarbeitsfirma „Kurt Zeitarbeit“ in die Gaststätte „Zur Rübe“ gebeten.

Im Rahmen der Podiumsdiskussion wurden Meinungen, Standpunkte und Erfahrungen zum Thema ausgetauscht, von der bundespolitischen Ebene bis hinunter auf die lokale Ebene. Weitestgehend einig waren sich alle Diskutanten darin, dass jede Arbeit, befristet oder unbefristet, aber auch Leiharbeit, dem Werktätigen eine Lebensgrundlage bieten muss. Als Grundsatz müsse gelten: Gleicher Lohn für gleiche Arbeit. Aber gerade die Zuhörer konnten in den zahlreichen Beiträgen berichten, dass die Realität weit von diesem Wunsch entfernt ist und prekäre Arbeitsverhältnisse keine Seltenheit sind. Hinzu kommt die soziale Spaltung der Belegschaften, hervorgerufen durch massive Ungleichbehandlungen innerhalb der Unternehmen. Von der Betriebsrente bis zum Essensgeldzuschuss, Leiharbeiter und Festangestellte erleben ihre Arbeit sehr unterschiedlich – ein Problem, mit dem gerade die Gewerkschaften und Betriebsräte zu kämpfen haben. Nicht ohne Grund wurde gerade im anwesenden Publikum immer wieder von „moderner Sklaverei“ gesprochen, die mit Leiharbeit Einzug in die Arbeitswelt erhalten hat und – an diesem Punkt waren sich auch alle einig - die auch niemand wieder „abschaffen“ kann. Hasan Kurtulus aus Lehrte, selbst Arbeitgeber von ca. 900 Beschäftigen in einem Leiharbeitsverhältnis, machte an dieser Stelle sehr deutlich, dass die Politik nun gefragt sei, um Rahmenbedingungen zu schaffen. Zudem legte er großen Wert darauf, dass es überall „schwarze Schafe“ gibt, dass sich der Großteil aber an die Grundlagen der mit den DGB-Gewerkschaften ausgehandelten Tarifverträge hält. Innerhalb der Debatte wurde auch bald klar, dass zumindest die Vertreter aus Politik und Gewerkschaft die Leiharbeit wieder ihrem ursprünglichen Zweck zuführen möchten. „Leiharbeit ist gut, wenn man damit Urlaubszeiten, Krankheitszeiten oder Auftragsspitzen abarbeiten will. Das kann sinnvoll sein und dazu stehen wir auch“, so Wertmüller vom DGB. „Ansonsten müssen wir aber Leiharbeit für den Entleiher so unattraktiv wie möglich machen. Es darf sich einfach nicht mehr lohnen, ganze Abteilungen auszugliedern“. Matthias Miersch brachte schließlich noch eine weitere Überlegung in die Diskussion: „Die Leiharbeiter von heute sind die Sorgenkinder von morgen. Wer heute kein Geld übrig hat für die Vorsorge, für die Rente, für die Bildung, der wird in einigen Jahrzehnten schon die Sozialkassen belasten.“ Wer soll dann den Preis bezahlen? Zur Zeit rangieren die Schätzungen zwischen 750.000 und 950.000 Leiharbeitern deutschlandweit. Vor fünf Jahren waren es noch 330.000, eine bemerkenswerte Entwicklung die zeigt, dass nun das politische Instrumentarium gefordert ist.

Dr. Bodo Wiechmann, Vorsitzender, Tel. 05132 1670 (p) / 0511 9721434 (d)